• Staatsgrenzen

Hinweis:
Diese Rubrik überschneidet sich großenteils mit der nachfolgenden Rubrik Friedenspolitik

Kurzeinführung

Staatsgrenzen galten lange – zumindest in Friedenszeiten – als unverbrüchliche territoriale Abgrenzungen zwischen Staaten und deren Staatsvölkern. Der territorial endgültig abgegrenzte Nationalstaat war der anerkannte normale Akteur der Staatenwelt. Die Endgültigkeit von Staatsgrenzen wurde weithin sogar als Vorbedingung für Frieden in der Staatenwelt erachtet. Die Frage, inwieweit der Verlauf von Staatsgrenzen den Zugehörigkeitsbedürfnissen der Bürger entspricht, spielte dabei kaum eine Rolle. Hieran hat sich noch immer wenig geändert.
Historische Wahrheit ist indes, dass vielerorts bestehende Staatsgrenzen und die damit verbundene kollektive Staatszugehörigkeit von den Bürgern nicht so gewollt waren und sind. Wahr ist auch, dass es bei den allermeisten Kriegen und Bürgerkriegen um Konflikte um ungewollte Staatsgrenzen und damit auch um ungewollte Staatszugehörigkeiten ging. Hiervon sind auch demokratische Staaten nicht ausgenommen. Auch demokratische Staaten haben sich nicht auf die Fahnen geschrieben, die Bürger vor ungewollten Staatszugehörigkeiten und dem damit oft verbundenen Leid zu schützen. Auch sie haben in vielen Konflikten um Staatsgrenzen eine unrühmliche Rolle gespielt.

Die Freiheit von Bürgern, über Staatszugehörigkeiten und damit Staatsgrenzen kollektiv selbst zu entscheiden, habe ich auch politische Assoziationsfreiheit genannt. Um diese Freiheit bestmöglich zu verwirklichen, bedürfte es neuer direktdemokratischer Entscheidungsverfahren, wie sie in den unten genannten Buchpublikationen (insbesondere Die politische Logik der Sezession und Freedom, Peace, and Secession) detailliert beschrieben sind. (Siehe hierzu auch den Ausschnitt Ein Regelwerk der politischen Assoziationsfreiheit unten unter Essays und Artikel.)

Die gewaltsamen Konflikte um ungewollte Staatszugehörigkeiten reichen weit in die Geschichte zurück, haben aber im Lauf des vorigen Jahrhunderts eine neue Dimension erreicht. Daher habe ich diese jüngeren Konflikte zusammenfassend als schleichenden dritten Weltkrieg bezeichnet. Zu diesem Weltkrieg gehören demnach all solche gewaltsamen zwischen- und innerstaatlichen Konflikte, die durch Praktizierung der politischen Assoziationsfreiheit vermeidbar wären.

Politische Assoziationsfreiheit könnte schon in ihrer einfachsten Form die Welt deutlich friedlicher machen. Trotzdem ließen sich nach deren einfachsten Regeln nicht alle Staatsgrenzen so ziehen, dass darüber zwischen den betroffenen Bürgern, Völkern und Regierungen Einvernehmen bestünde. In manchen Fällen würde jede erdenkliche neue Grenzziehung in mindestens einem beteiligten Staat bei mindestens einer dortigen Minderheit massiven Unmut auslösen oder fortsetzen. Auch ein hoch entwickelter innerstaatlicher Minderheitenschutz könnte solchen Unmut oft nicht auffangen.

Daher wird es noch höher entwickelte Verfahren für den Umgang mit der Staatsgrenzenfrage geben müssen, muss also noch konsequenter und differenzierter auf die kollektiven Zugehörigkeitsbedürfnisse der Bürger eingegangen werden. Eben dies würde im Rahmen neokratischer Staatsformen möglich.

In neokratischen Staatswesen könnten Politikbereiche wie die Verteidigungspolitik, die Geldpolitik und andere vollständig autonom institutionalisiert werden. Es könnten also z.B. ein eigenständiger Wehr-Staat und ein eigenständiger Währungs-Staat vom bestehenden allzuständigen Universalstaat abgespalten werden.
Wo diese dar Fall wäre, ließen sich die politischen Zugehörigkeitsbedürfnisse auch dann erfüllen, wenn sie nicht in allen Politikbereichen gleich ausgeprägt sind. Auch dann also, wenn die Bürger sich z.B. für den Wehr-Staat andere territoriale Außengrenzen wünschen als für andere Politikbereiche.

Ein Anwendungsbeispiel hierfür wäre: In einem Teil Europas, in dem die Bürger gleiche friedenspolitische Überzeugungen teilen, könnte über bestehende Staatsgrenzen hinweg ein eigenständiger gemeinsamer Wehr-Staat eingerichtet werden, also eine eigenständige Staatssparte für Frieden und Sicherheit. In diesen Wehr-Staat könnten dann alle vormals nationalen Streitkräfte des betreffenden Territoriums eingebracht werden. Damit bekäme die politische Landkarte für den Bereich der Friedens- und Sicherheitspolitik eine eigene Gestalt. Analoges könnte natürlich auch in anderen Politikbereichen geschehen.

Auf diese Weise ließe sich durch neokratische Änderung der Staatsordnungen eine neue Dimension politischer Freiheit eröffnen. Auch der politischen Sinnstiftung würden sich damit neue Horizonte eröffnen.

PS: Um vollständig autonom zu sein, sollte eine eigenständige Staatssparte durch Wahlen eigenständig demokratisch legitimiert sein, und sie sollte auch aus eigener Kraft notwendige Einnahmen generieren können. Details dazu werden im Neokratiemodell vorgestellt (s. hierzu auch den Verfassungs-Rat-Geber in neokratieverfassung.de).

Essays und Artikel

Bücher

Prämierung des Friedens

Alternativen zum humanitären Krieg, Wiesbaden 1999

Nationalstaat, Solidarstaat, Effizienzstaat

Neue Staatsgrenzen für neue Staatstypen, Darmstadt 1992

Die politische Logik der Sezession

Zu einem neuen Paradigma der Friedenspolitik, Wiesbaden 2018

Freedom, Peace, and Secession

New Dimensions of Democracy, Springer, Cham 2020