• Bürgerbeteiligung

Fünf Grundregeln der Bürgerbeteiligung

  1. Wenn die Politiker von immer mehr Sachproblemen überfordert sind, dann sind es um so mehr auch die Bürger.
  2. Die Demokratie dürfte dem Bürger nur Entscheidungen abverlangen, die er
    - hinreichend sachkundig treffen kann
    und
    - die er – ebenso wichtig – auch treffen will.
    Dem wird die bestehende Demokratie nicht gerecht.
  3. Der Bürger will in Wahlen politische Richtungsentscheidungen treffen, ohne für die Umsetzung in praktische Politik verantwortlich zu sein. Politische Richtungsentscheidungen lassen sich aber nicht mehr sinnvoll für die Politik als ganze treffen. Hinreichend rationale Richtungsentscheidungen sind nur noch für einzelne Politikbereiche möglich.
    Solche gezielten bereichsspezifischen Richtungsentscheidungen – z.B. in der Friedenspolitik, der Umweltpolitik oder staatlichen Umverteilung – bleiben den Bürgern in der bestehenden Demokratie aber verwehrt. Die Voraussetzungen hierfür kann nur ein neokratischer Spartenstaat schaffen.
  4. Das elementarste Recht auf Bürgerbeteiligung wäre ein direktes Mitbestimmungsrecht über die Staatsordnung. Zwar könnten die Bürger nicht selbst eine Staatsordnung gestalten, aber sie sollten zumindest ein Vetorecht über die Staatsverfassung ausüben können.
    Ein solches plebiszitäres Vetorecht gäbe es in einer neokratischen Staatsordnung. Dort läge die Verfassungsentwicklung in Händen eines unabhängigen Verfassungsrats, und dieser Verfassungsrat würde die Bürger regelmäßig zur direkten Legitimierung der Verfassung aufrufen (iteratives Legitimationsverfahren).
  5. Politische Sachentscheidungen dagegen würden in neokratischen Staatsordnungen nicht plebiszitär entschieden. Um eine hinreichende Bürgernähe politischer Entscheidungen sicherzustellen, würden stattdessen als zweite Kammern der Gesetzgebung semiprofessionelle Laienparlamente eingerichtet. Deren Mitglieder würden in einem hoch entwickelten mehrstufigen Los- und Wahlverfahren aus der Gesamtheit der Bürger bestimmt.

Bürgerbeteiligung - Rettung einer lahmenden Demokratie?

Eine direkte Demokratie, in der die Bürger über alles Politische direkt selbst entscheiden, hat es nie gegeben. Politisches Handeln resultiert aus demokratischen Wahlen, Parlamentsentscheidungen, Entscheidungen der Exekutive und Entscheidungen unabhängiger Gerichte und unabhängiger Expertengremien. Das politische Entscheidungsverfahren in demokratischen Staaten ist demnach eine Kombination aus Bürgerentscheiden, Entscheidungen demokratisch gewählter Repräsentanten und Entscheidungen ernannter Experten.

In der Frage, worüber die Bürger selbst, worüber Parlamente, worüber Regierungen und worüber unabhängige Gremien wie Verfassungsgerichte oder Zentralbankräte entscheiden, hat die neuzeitliche Demokratie sich de facto als reformunfähig erwiesen. Die Rollenverteilung zwischen Bürgern, Parlamenten, Regierungen und weiteren Entscheidungsinstanzen ist im Wesentlichen unverändert geblieben.

Diese Rollenverteilung, das Grundmodell der bestehenden Demokratie also, stammt aus einer Zeit, in der die gesellschaftliche Realität von der heutigen – und erst recht der künftigen – grundverschieden war. Politik ist seither immer komplexer und – nicht nur für die Bürger – immer schwerer durchschaubar geworden. Die längerfristigen Auswirkungen direktdemokratischer Personalentscheidungen lassen sich daher zunehmend schwerer abschätzen. Demokratische Wahlen bekommen dadurch immer mehr den Charakter von Zufallsexperimenten.

Wenn Politik immer unüberschaubarer wird, weil sie sich auf immer umfangreicheres und dabei immer höher spezialisiertes Wissen stützen muss, dann sollte dies auch Folgen für die politischen Entscheidungsverfahren haben. Dann wird in diesen Verfahren eine neuartige Arbeitsteilung zwischen Bürgern, Politikern und Experten notwendig, eine neue Balance also zwischen Bürgerbeteiligung, Parlamentsentscheiden und Entscheidungen unabhängiger Expertengremien.

Das hiesige reformforum-neopolis stellt Lösungsmodelle für eine solche neue Balance in den Entscheidungsverfahren vor. Die hier propagierten neokratischen Staatsformen mit ihren eigenständigen Politiksparten wären an sich schon ein neuartiges Entscheidungsverfahren, das dem fachlich spezialisierten Wissen von Bürgern und Politikern eine wichtigere Rolle zuweist. Auch in einer solchen neokratischen Ordnung bedürfte es aber neuer Modelle der Bürgerbeteiligung. Daher wurde für den neokratischen Spartenstaat das Konzept der bürgernahen semiprofessionellen Laienparlamente entwickelt, die die Gesetzgebung der Expertenparlamente kontrollieren. (S. hierzu in untenstehender Liste vor allem “Die Logik der Bürgerbeteiligung”. S. auch den Verfassungsentwurf in www.neokratieverfassung.de.)
Noch bedeutsamer aber wäre im neokratischen Staat das sog. iterative Legitimationsverfahren, das den Bürgern – im Zusammenwirken mit einem “permanenten Verfassungsrat” – eine neuartige Rolle in der Fortentwicklung der politischen Ordnung zuwiese. (S. hierzu unten auch “Der Staat auf Bewährung”. S. auch den o.a. Verfassungsentwurf).

Hierdurch würden die politischen Entscheidungsverfahren – und damit die Rolle der Bürgerbeteiligung – selbst zum vorrangigen Gegenstand demokratischer Bürgerbeteiligung.

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