Die Notwendigkeit grundlegender Demokratiereformen ergibt sich vor dem Hintergrund eines immer deutlicheren Demokratieversagens.
Auch wenn die herkömmliche Demokratie unbestritten die beste aller bisherigen Staatsformen ist, bleibt sie doch hinter den Anforderungen an die politische Problemlösungsfähigkeit immer weiter zurück. Dieser Befund ist auf den "verbundenen Websites" ausführlich dargestellt, so auf www.parteien-stop.de speziell als Versagen des demokratischen Parteienstaates.
Um die Aufmerksamkeit auf die Schwächen der Parteiendemokratie zu lenken, ist allerdings nicht weniger als ein Paradigmenwechsel vonnöten. S. hierzu z.B. untenstehenden Text zum Paradigmenstreit.
S. auch die nachfolgenden Texte zum Download
Paradigmenstreit zur Demokratie: Welche Erwartungen an die Politik sind legitim, welche sind geboten?
Zwei geschlossene Gedankenwelten zum Parteienstaat, vorerst unvereinbar
Mit der Frage, was man von der Politik erwarten sollte, machen die meisten Bürger es sich noch immer leicht. Wer einer Partei angehört, wer mit einer Partei sympathisiert oder eine Partei wählt, für den markieren die politischen Absichten dieser Partei den Erwartungshorizont. Insoweit die Partei tut, was sie zu tun verspricht, sind die Erwartungen dieser Bürger im Großen und Ganzen erfüllt. Auch wer so denkt, muss Reformen der Parteiendemokratie nicht ablehnen, wird aber immer auf hinreichende Reformimpulse aus den Parteien heraus vertrauen, angestoßen z.B. durch den Wechsel politischer Mehrheiten, die Auswechselung von politischem Personal oder durch neu zu gründende Parteien. Einen Reformbedarf, der über den Parteienstaat hinausweist, würden die meisten Bürger wohl mindestens für die eigene Lebenszeit ausschließen.
Man kann aber natürlich auch viel skeptischer sein und den Parteienstaat für reformunfähig und für unzeitgemäß halten. Man kann überzeugt sein, dass die Zeit schon reif ist für Besseres als die Parteiendemokratie und ihre suprastaatlichen Auswüchse. Wer so denkt, wird sich mit etablierten, aber auch mit neu gegründeten und zu gründenden Parteien nur noch am Rande befassen, besonders den immer wieder rasch verglühenden rechtspopulistischen. An neu gegründeten Parteien interessieren aus dieser Sicht vor allem die Ursachen ihres systematischen Scheiterns.
Diese beiden Denkweisen erzeugen natürlich völlig unterschiedliche Perspektiven zum politischen Geschehen. Was aus der einen Perspektive allerhöchste Aufmerksamkeit erfordert, ist aus der anderen Perspektive von untergeordnetem Interesse. Die Einen gehen auf in den politischen Auseinandersetzungen, wie sie üblicherweise im Rahmen der Parteiendemokratie geführt werden, und weisen Weitergehendes als praxisfern und utopisch von sich. Für die Anderen dagegen geht es bei den üblichen Auseinandersetzungen innerhalb der Parteiendemokratie zumeist um Geringfügigkeiten. Dies ergibt sich daraus, dass die Parteien, alte wie neue, sich in ihrer Problemlösungskompetenz wenig unterscheiden.
Bei beiden Gedankenwelten handelt es sich, wissenschaftstheoretisch gesprochen, um inkommensurable Paradigmen, deren Gegensätze sich argumentativ nicht ausräumen lassen. Welche dieser Positionen richtig ist, könnte letztlich nur empirisch, d.h. durch beobachtete Tatsachen geklärt werden. Die Tatsachenlage erlaubt aber vorerst noch jedem eine Deutung im Rahmen des eigenen Paradigmas. Die Kritiker des Parteienstaates können darauf verweisen, dass dieser vor allem langfristige politische Probleme immer wieder zu spät, zu unentschlossen, zu dilettantisch und grob fahrlässig behandelt, was auch offensichtlich sei. Seine Anhänger können entgegnen, dass die Möglichkeit einer besseren Politik nicht bewiesen ist und in absehbarer Zukunft auch nicht beweisbar sein werde. Mit reiner Empirie ist daher keinem der beiden Paradigmen beizukommen.
Eine mögliche Konsequenz wäre: geduldig abwarten, ob sich z.B. im kommenden halben Jahrhundert das Für und Wider in Sachen Staatsordnung klar genug abzeichnet. Dann könnte die Nachwelt fundiert entscheiden, ob sie den Übergang von der alten Demokratie zu neuen Staatsformen realisieren will.
Dies ist der wahrscheinliche Gang der Dinge, aber es auch ein hoch riskanter. Eine ale Staatsordnung, die etablierten Interessen dient, gerät nicht schon durch einzelne akute oder schleichende Krisen ins Wanken, sondern nur durch veritable politische Katastrophen. Andauernde Passivität in Sachen Staatsordnung wäre insofern ein Warten auf solche Katastrophen, also grober politischer Leichtsinn. Das Wachhalten neokratischen Denkens wäre insofern ein Akt politischer Katastrophenprävention.
Die öffentliche Meinung wird noch lange vom Paradigma der alten Parteiendemokratie beherrscht bleiben. Immerhin scheint aber der Anteil von Bürgern, die der Parteiendemokratie mit diffusem Unbehagen oder ratloser Gleichgültigkeit gegenüberstehen, stetig zu wachsen. Dies könnte Vorbote einer wachsenden Bereitschaft sein, unerschütterlich geglaubte Paradigmen letztlich doch in Frage zu stellen.
Auf lange Sicht darf man also hoffen.
03 – 2013 (aktualisiert 09 – 2025)
www.neopolis.info
Der folgende Aufsatz von 1996 zeigt, wie wenig Bewusstseinsfortschritt es im Umgang mit der politischen Systemfrage in den zurückliegenden Jahrzehnten gegeben hat.
Weiterführend: